0,9 Sekunden reichten

Am letzten Wochenende fand rund um Osterode am Harz der 4. Lauf zur ADMV Rallye Meisterschaft und letzte Vorlauf der ADAC Rallye Masters statt. Noch am Freitagabend im Servicepark kam der Masters Organisator Josef Kasper zu mir und meinte, dass er von uns eigentlich nur einen Sieg erwarten würde. Solche Erwartungshaltungen anzunehmen ist einfach, sie aber auch umzusetzen eine ganz andere und weitaus schwierigere Sache, denn dass der junge Thomas Bareuther und sein Beifahrer Thomas Schöpf (Suzuki Swift) uns den Sieg nicht ohne weiteres überlassen würden, war jedem der Beteiligten klar. Mit gleichen "Waffen" ausgerüstet, wurde es die engste und spannendste Rallye meines Lebens, bei dem das Wetter eine entscheidende Rolle spielen sollte.

Ein kurzer Regenschauer vor dem Start und konstant dunkle Wolken am Himmel machten uns die Reifenwahl einfach. Wir zogen Intermediates auf, wie Bareuther im Übrigen auch. Unsere Taktik am Morgen bestand darin uns erst langsam ans Limit der Reifen und vor allem die richtigen Bremspunkte für die zahlreichen Abzweige heranzutasten. Dadurch verloren wir 3,8 beziehungsweise 2,6 Sekunden auf den ersten beiden Wertungsprüfungen (WP). Ein erstes Lebens- und Achtungszeichen konnten wir aber auf der WP 3 "Eisdorf I" setzen. Mit der fünften Gesamt- und gleichzeitigen Divisionsbestzeit reduzierten wir unseren Rückstand auf 3,7 Sekunden. Auf dem nur 1,9 km langen Bergsprint "Lerbach" knabberten wir davon weitere 3,1 Sekunden ab und hatten bis dahin noch alle Trümpfe in der Hand.

Mit abtrocknender Strecke begannen jedoch unsere Probleme. Auf den beiden Rundkursen in "Ührde" fuhr Bareuther insgesamt 3,9 Sekunden schneller als wir. Doch damit nicht genug. 15,8 Sekunden(!) schenkten uns die beiden Bayern auf der längsten Start-Ziel WP "Elbingerode II" ein. Veit war danach völlig außer sich und ärgerte sich über sich selbst. Auf der Verbindungsetappe zum Service diskutierten wir, wo wir die Zeit liegen gelassen haben könnten und kamen zu dem Schluss, dass Veit unter trockenen Bedingungen generell zu zögerlich an die Abzweige heranbremst. Feuchte Bedingungen erfordern einen weicheren Umgang mit der Bremse und kommen dadurch Veits Fahrstil eher entgegen.

Bei einem Rückstand von 19,7 Sekunden vor den letzten drei WPs war es Zeit für einen Pakt. Veit und ich beschlossen beim abschließenden Service komplett auf Regenreifen zu wechseln. Aus eigener Kraft und unter normalen Umständen konnten wir gegen Bareuther nichts mehr ausrichten und unser Vorsprung auf das drittplatzierte Team Nils und Sina Hildebrandt im VW Polo betrug bereits über viereinhalb Minuten. Wenn es jedoch wie befürchtet regnen sollte, hätten wir noch eine kleine Chance auf den Sieg, denn Bareuther blieb auf den Intermediates, die er schon den ganzen Tag fuhr. Wir brauchten also nur noch ein wenig Hilfe von oben...

Bei leichtem Regen ging es erneut zum Bergsprint bei "Lerbach". Die 0,4 Sekunden, die wir schneller als Bareuther fuhren, reichten noch nicht aus. Unsere Reifen brauchten mehr Regen, um als echter Trumpf stechen zu können. Auf der anderen Seite lief uns, bei nur noch zwei zu fahrenden WPs, langsam die Zeit davon. Doch rechtzeitig vor dem Start der vorletzten WP beobachtete ich, wie die Tropfen auf der Frontscheibe immer mehr wurden... "Jetzt ist es soweit", sagte ich und Veit wusste, was das bedeutet: Angriff.

11,1 Sekunden nahmen wir Bareuther ab. Das Blatt schien sich nun zu unseren Gunsten zu wenden. Doch auf der Verbindungsetappe zur letzten WP "Eisdorf III" zog der Suzuki plötzlich immer mehr nach links. Bei unserer Aufholjagd fingen wir uns einen schleichenden Platten vorne rechts ein. Da wir nur einen Intermediate als Reserverad mit uns führten, wechselten wir den hinteren rechten Regenreifen nach vorne und montierten das Reserverad hinten. Mit dieser abenteuerlichen Bereifung rechneten wir mit einigen "Aha-Erlebnissen" im Renntempo. Wir beließen es bei deren zwei, die aber auch unweigerlich das Aus bedeuten hätten können. Im Ziel der WP waren wir laut Aussage der Sportwarte an der Stoppstelle 9 Sekunden schneller als Bareuther. Ob das reichte?

Laut meiner Rechnung sollten Zehntelsekunden über Sieg oder Niederlage entscheiden. Aber selbst vor dem abschließenden Zielbogen hatten wir noch keine Sicherheit über den Ausgang der Rallye. Sogar die Stimmen im Servicepark waren geteilter Meinung. Manche sagten wir hätten mit drei Sekunden Vorsprung gewonnen, andere wussten es überhaupt nicht. Letztendlich kam die erlösende Nachricht durch unsere Mechaniker.

Mit 0,9 Sekunden Vorsprung gewannen wir auf der letzten WP die 6. Rallye Niedersachsen und übernahmen damit die Führung in der
ADMV Rallye Meisterschaft. Petrus sei dank...