Fremdgaenger Part II

Vor 4 Jahren fragte mich, der damals noch 20-jährige Sebastian Zimmermann aus Plauen, ob ich ihm als Beifahrer zur Seite stehen und beim Einstieg in den Rallyesport helfen könnte. Da ich aber bereits andere Verpflichtungen hatte, musste ich ihm leider absagen. Zwischendurch sind wir uns zwar das ein oder andere Mal in den Serviceparks Deutschlands über den Weg gelaufen, aber zu einer „ernsthaften“ Annäherung kam es dabei nie. Nachdem ich allerdings seinen Namen ohne Beifahrer in der Nennliste der diesjährigen 49. Erzgebirgsrallye gesehen habe, zögerte ich nicht lange und bot ihm meine Hilfe an.

Sebastian hat über den Winter in kompletter Eigenregie einen feinen, blütenweissen VW Golf 3 GTI für die Gruppe H aufgebaut. In jeder verbauten Schraube sieht man nicht nur seine Liebe zum Detail, sondern vor allem auch zur Ästhetik. Ganz getreu dem Motto: „Das Auge fährt mit“. Zusätzlich sollten ein neues Dogbox Getriebe, ein von VW-Spezialist Lehmann gemachter Motor und eine konsequente Gewichtsreduzierung, die Performance des Fahrzeugs bereits auf der Papierform verbessern. Im Vergleich zu den Kit-Cars gleichen Bautypes aber immer noch weit hinten anstehen, wie es sich auf den Wertungsprüfungen (WP) rund um Stollberg herausstellen sollte.

Der Freitagabend begann für uns mit dem anspruchsvollen und engen Rundkurs Oberdorf. Sebastian hatte sofort Vertrauen in meine Ansagen und tastete sich mit jeder Runde näher an das Limit des Autos heran. Hinter den bereits erwähnten Kit-Cars von Guido Imhoff und Armin Holz sowie dem BMW 320i von Olaf Müller fuhren wir ohne Schnörkel die viertbeste Zeit unserer Division. Auf dem Weg zurück zum Schlussservice ging uns jedoch der Motor aus und liess sich nicht mehr starten. Glücklicherwiese war die Strasse abschüssig, so dass wir mit etwas Anschieben den Motor wieder zum Leben erwecken konnten. Das Problem lag an einer geschwächten Batterie und begleitete uns die gesamte Rallye. Sollte uns der Motor erneut ausgehen, so hätte es jederzeit das Aus bedeuten können...

Da das Team Imhoff/Walker um einen Podiumsplatz in der Gesamtwertung kämpfte und in seiner eigenen Liga fuhr und wir durch den Ausfall von Olaf Müller am Samstagmorgen kampflos den 3. Platz erbten, konzentrierten wir uns am zweiten Tag mehr auf die Zeiten von Armin Holz im zweiten Golf Kit-Car. 2 Sekunden Rückstand auf der WP Mildenau beziehungsweise 8 Sekunden auf dem „Klassiker“ in Grünhain waren durchaus bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass uns 50 PS weniger Leistung zur Verfügung stehen.

Nach dem ersten Service konnten das Team Holz/Nowotny jedoch noch ein Schippe drauflegen, so dass wir es beim Verwalten der dritten Position beliessen. Wenn da nicht dieses Problem mit der schwachen Batterie gewesen wäre. Auf der WP Jahnsdorf unterschätzten wir einen Abzweig über eine Kante. Der Golf wurde hinten ausgehebelt und wir rutschten frontal gegen einen Bordstein. Dabei ging uns der Motor abermals aus. Im Kopf klappte ich bereits den Aufschrieb zusammen und dachte: „Das war es jetzt!“ Nach zehn ewigen Sekunden dann ein erlösendes Aufheulen. Es ging weiter. Glück gehabt.

Für den zweiten, aber bedeutend größeren „Aha-Moment“, sorgte die einzige große Wolke der Rallye, die uns mit einem Regen- und Hagelschauer auf der WP Oberdorf überraschte. Mit Trockenreifen unterwegs sank mitten im Ort bei ca. 80 km/h die Drehzahl urplötzlich in den Keller. Aquaplaning! Sebastian meinte panisch nur noch zu mir: „Ich kann nichts mehr machen!“ Wie auf Eis rutschten wir 200 m unkontrolliert dahin und konnten keine Geschwindigkeit abbauen. Mit viel Glück brachte Sebastian das Fahrzeug auf einer großen Wiese wieder unter seine Kontrolle. Ohne Einschlag und was noch viel wichtiger war ohne Personenschaden. Solche Bedingungen hatte er noch nie zuvor erlebt und war erst einmal bedient. Auch an mir gingen diese Sekunden der totalen Ungewissheit nicht ganz spurlos vorbei und erinnerten mich wieder einmal daran, wie gefährlich der Rallyesport mitunter sein kann...

Den 3. Platz konnten wir trotzdem bis zum Ziel der Rallye halten und die ersten wichtigen Punkte für den ADAC Junior Cup einfahren.

In zwei Wochen werde ich erneut mit Sebastian an den Start gehen. Diesmal in Sulingen, dem 2. Lauf der ADAC Rallye Masters. Drücken Sie uns die Daumen - und zwar diesmal mit voll geladenen Batterien.